• Bereits bei einer Vitalkapazität unter 70% sind eine Polygraphie und eine nächtliche transkutane pCO2-Messung indiziert!

Ursachen

Besondere Verlaufsform der akuten Polio wird die Atmungslähmung betrachtet, wobei
die Ursache peripher (Lähmung der Interkostalmuskulatur und/oder Phrenikuslähmung)
oder zentral (Befall des Atemzentrums) liegen kann

Beim Postpoliosyndrom können die Ursachen der gestörten Atmung sehr vielfältig sein.
Die neuromuskuläre Übertragungsstörung betrifft sowohl die Atmungs- als auch die Atmungshilfsmuskulatur, was sich in einer erhöhten Beanspruchung der Atempumpe (messbar am Quotienten p0,1/PImax) und in einer seitenungleichen Ermüdung der Interkostalmuskulatur (messbar im dynamischen Oberflächen-EMG unter CO2-
Belastung) bemerkbar macht.

Aus der Literatur sind Untersuchungen an PPS-Patienten bekannt, die eine im EMG sichtbare niedrigere Ermüdungsschwelle des Zwerchfelles einerseits belegen, andererseits kann die Zwerchfellermüdung bei PPS-Patienten aber offensichtlich auf Kosten verschlechterter Blutgase unter Belastung vermieden werden. Eine (Kypho-)Skoliose als Folge der neuromuskulären Erkrankung führt zu einer gestörten mechanischen Kopplung zwischen der Muskulatur und dem deformierten knöchernen Thorax und kann zusätzlich die Atemfläche von außen einengen. Aus der Literatur ist bekannt, dass bei einem Abfall der Vitalkapazität auf unter 55% des Sollwertes mit einer Tages-Hyperkapnie gerechnet werden muss. Dies lässt sich bei den von uns untersuchten Patienten bestätigen. Eine nächtliche Hyperkapnie kann beim Postpoliosyndrom aber bereits früher auftreten, deshalb sind bei PPS-Patienten schon bei einer Vitalkapazität unter 70% des Sollwertes eine Polygraphie und eine nächtliche transkutane pCO2-Messung indiziert!

Eine weitere Störungsmöglichkeit betrifft die Larynx/ Pharynx-Ebene. In einer niederländischen Studie zeigten 6 von 8 PPS-Patienten eine oropharyngeale Dysfunktion mit verminderter Larynx-Öffnung und eingeschränkter Funktion der Pharynx-Muskulatur.
In einer HNO-Arbeitsgruppe wurde bei 3 PPS-Patienten ein Larynx-EMG abgeleitet und
ähnliche Befunde wie in der Skelettmuskulatur beim Postpoliosyndrom beschrieben. Dies lässt vermuten, dass auch die Pharynxmuskulatur (isoliert?) vom Postpoliosyndrom
betroffen sein kann. Diese anatomische Region prädisponiert bei Funktionsstörungen zu
nächtlichen (obstruktiven) schlafbezogenen Atmungsstörungen. In einer eigenen Untersuchung hatten von 25 beatmeten PPS-Patienten immerhin 19 einen Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI)>5/h. Bei 7 Patienten stellte die nächtliche Atmungsstörung das Hauptproblem dar, während die Atmung am Tag nicht/kaum beeinträchtigt war. Im Gegensatz zum Schlafapnoesyndrom bestand bei den PPS-Patienten kein signifikanter
Zusammenhang zwischen einem erhöhten Body-Mass-Index und einem erhöhten
AHI. Diese Häufung schlafbezogener Atmungsstörungen beim PPS wird durch
andere Autoren bestätigt.

Pathogenetisch könnte die Ursache dieser Störungen bei PPS-Patienten im Hirnstammbereich liegen. Dafür spricht auch eine Studie zur REM-Schlaf-Latenz beim Postpoliosyndrom. Die Autoren fanden bei PPS-Patienten (mit Bulbärparalyse während der
Akuterkrankung) eine deutlich verlängerte REM-Latenz, Latenz zur Muskeltonus-Reduktion
und Latenz zum Auftreten von Sägezahnwellen im EEG und schlussfolgern daraus eine verlängerte Rekrutierungszeit für Neurone der Pons als Poliofolge.

Aber auch höher gelegene zerebrale Strukturen scheinen bei einigen Polio-Betroffenen
gestört zu sein. So fanden Dean et al. bei PPS-Patienten mit primärer bulbärer
Poliomyelitis vermehrt zentrale Apnoen im Non-REM-Schlaf bei insgesamt höherem AHI
(im Vergleich zu Patienten mit nichtbulbärer Poliomyelitis). Sie schlussfolgern daraus,
dass die zerebrale Kontrollfunktion auf die bulbären respiratorischen Zentren im NREM-Schlaf reduziert sein muss.

Hsu et al. gliedern die schlafbezogenen Atmungsstörungen bei PPS-Patienten in 3 Gruppen:

- normokapnische Patienten mit obstruktiven nächtlichen Apnoen,
- stark hyperkapnische Patienten mit nächtlicher Hypoventilation,
- Patienten mit milder Hyperkapnie, die sowohl obstruktive Apnoen als auch
- Hypoventilationen zeigen.

Bei Hinzutreten weiterer Erkrankungen, insbesondere von Lungenerkrankungen wie z.B.
einer COPD, potenzieren sich die Auswirkungen.

Bundesverband Poliomyelitis e.V.

  • Interessengemeinschaft von Personen mit Kinderlähmung
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