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    Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunkeln Laub die Goldorangen glühn, ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Myrte still und hoch der Lorbeer steht, kennst du es wohl? Dahin! Dahin möcht‘ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.
    (aus Wilhelm Meisters Lehrjahre von Johann Wolfgang von Goethe)
JarolimeckBlick_auf_Trento Blick auf Trento




Jarolimeck_Meran_Kurpromenade
Meran Kurpromenade




Jarolimeck_San_Pellegrino
San Pellegrino




Jarolimeck_Sirmione
Sirmione




Jarolimeck_Verona_Piazza_Bra
Verona Piazza Bra




JarolimeckBlick_auf_Verona
Blick auf Verona

Ein Reisebericht von Ulrike Jarolimeck

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
kennst du es wohl? Dahin! Dahin möcht‘ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

(aus Wilhelm Meisters Lehrjahre von Johann Wolfgang von Goethe)


Roberto Bassi ist Präsident des italienischen Polioverbandes AIDM (Associazione
Interregionale Disabili Motori onlus). Er hatte mich bei dem EPU-Treffen im Oktober 2008 in
Rheinsberg als Vertreterin des Bundesverbandes Poliomyelitis e. V. nach Malcesine am
Gardasee eingeladen. Dort sollte ich das nationale Rehabilitationszentrum für italienische
Poliobetroffene kennenlernen, Informationen über eine Studie an der Universitätsklinik
Verona zu Immunglobulin bekommen und am Frühjahrstreffen des Verbandes teilnehmen
sowie eine private Rehabilitationsklinik in San Pellegrino kennenlernen.

Ein Reisebericht  über den Besuch bei den italienischen Poliobetroffenen:
Sonntag 19. April 2009
Es ist 6.15 Uhr. Mein Mann und ich fahren mit vollbepacktem Auto gen Süden. Da, wo in früheren Zeiten Campinggepäck und Kinder samt Kinderwagen verstaut waren, sind nun mein Aktivrollstuhl und mein E-Rolli neben den Koffern und Reisetaschen. So ändern sich die Zeiten!
Italien kenne ich aus meiner Fußgängerzeit, nun bin ich gespannt, wie ich mit dem Rollstuhl
klar komme. Über die Autobahn in Frankreich und der Schweiz fahren wir zunächst in
Richtung Gardasee nach Brenzone. Positiv aufgefallen ist mir an fast jedem Rastplatz das
Hinweisschild für eine Behindertentoilette. Nicht immer passt der Euroschlüssel, aber oft ist
eine hilfsbereite Person als Türöffner zur Stelle. Fast überall fehlen notwendige Haltegriffe –
zumindest an den von mir aufgesuchten stillen Örtchen.
Unser Hotel in Brenzone ist eher behindertenfreundlich als behindertengerecht. Im Bade- zimmer fehlen in der Dusche Haltegriffe, das Waschbecken ist nicht unterfahrbar, der
Spiegel zu hoch, für jemanden der fest im Rollstuhl sitzt also eher ungeeignet. Die Er- kundung der Umgebung haben wir auf den nächsten Tag verschoben, da wir von der
langen Fahrt hungrig und müde waren. Unser Hotelier ist eine Seele von Mensch. Wir haben uns in seinem Haus trotz der Mängel im Zimmer sehr wohl gefühlt.
Montag 20. April 2009
Nach dem Frühstück geht’s auf Entdeckungsreise. Das Hotel liegt an der Hauptstraße am Ostufer des Gardasees. Um ans Seeufer zu gelangen, muss diese vielbefahrene Straße überquert werden. Es geht recht steil hinab, alleine und mit Aktivrolli nicht zu bewältigen. An diesem Abschnitt ist die Uferpromenade mit dem Aktivrolli nur teilweise gut zu befahren. Es empfiehlt sich ein elektrischer Antrieb. Da die Wolken dunkler wurden und die ersten Regentropfen fielen, sind wir zum Hotel zurück, ins Auto gestiegen und in Richtung Sirmione gefahren. Die Orte am Ost- und Westufer sind für Rollifahrer eher ungeeignet, da man immer gleich Steigungen überwinden muss. Daher empfehlen sich die Städte im Süden wie Peschiera, Sirmione und Desenzano oder im Norden Riva del Garda. Parkplätze findet man jederzeit und das Problem fehlender öffentlicher Toiletten wird mitunter dadurch gelöst, dass man die Hotel- und Restaurantbesitzer dazu verpflichtet, Behindertentoiletten zu bauen.
Dienstag 21. April 2009
Wir treffen uns mit Adriano Piffer (stv. Vorsitzender von AIDM) in Trento, das ich bisher nur vom Vorbeifahren auf der Brennerautobahn kenne. In meiner Vorstellung eine hässliche Stadt. Ich wurde eines Besseren belehrt. Die Altstadt ist sehr malerisch, mit vielen alten Palästen, Kirchen und Plätzen. Bekannt wurde Trento durch das Konzil von 1545 – 1563. Vom Hausberg Monte Bondone (2090m) aus hat man eine herrliche Aussicht auf die Stadt.
Mittwoch 22. April 2009
Dorothea Agetle, ebenfalls Mitglied von AIDM, zeigt uns Bozen und Meran. Endlich ein sonniger, warmer Tag. Bisher war uns Petrus nicht gut gesonnen. Von blühenden Zitronen nichts zu sehen. Pflichtgemäß statten wir Ötzi in Bozen einen Besuch ab. Das interessante Museum, in dem er ausgestellt ist, kann ganz und gar problemlos mit dem Rollstuhl erkundet werden. Danach bummeln wir noch ein wenig durch die Altstadt, bevor wir über die Weinstraße nach Meran fahren. Hier besichtigen wir die neue Therme, genießen ein Eis auf der Kurpromenade, rollen durch die oberen Lauben und besuchen die Pfarrkirche St. Nikolaus. Sie ist dem Hl. Nikolaus geweiht. Der Kirchturm (83 m hoch) ist das Wahrzeichen der Meraner Altstadt. Sie ist die größte Kirche Merans und bereits 1220 erstmals urkundlich erwähnt. Eine Vielzahl wertvoller Fresken, eine schöne Fensterrose, Glasfenster und interessante Skulpturen und Bilder sind zu bewundern.
Alle drei Städte – Trento, Bozen und Meran – sind rollstuhlgeeignet und auch der öffentliche
Personennahverkehr ist auf Rollstuhlfahrer eingestellt.
Donnerstag 23. April 2009
Ein Tag zum Verschnaufen. Wir wollen uns Malcesine genauer anschauen und mit der Seilbahn auf den Monte Baldo (2218 m hoch) fahren. Leider, wie immer, wenn wir ohne die italienischen Freunde unterwegs waren, hat es geregnet. Der Monte Baldo war wolkenverhangen. Also sind wir nach einem kurzen Spaziergang ins Hotel zurück.
Freitag 24. April 2009
Heute steht die Besichtigung der Klinik in Malcesine auf dem Programm. 
Am späten Nachmittag packen wir unser Bündel und ziehen weiter nach Verona. Auch hier ist das Hotel alles andere als behindertengerecht. Im Badezimmer fehlen u. a. Haltegriffe, der Aufzug ist so winzig, dass selbst mein kleiner Rollstuhl nur mit viel Mühe und rangieren Platz findet. Eine Alternative wäre der Lastenaufzug gewesen.
Samstag 25. April 2009
Mit Adriano Piffer fahren wir nach San Gervasio bei Brescia zum Frühjahrstreffen von AIDM. Nach dem offiziellen Teil wird gemeinsam gegessen und gefeiert. Mein Mann und ich wurden äußerst herzlich begrüßt und zum Mitfeiern eingeladen. Man sah es als besondere Ehre an, Gäste vom BV Polio in der Mitte zu haben.
Sonntag 26. April 2009
Das touristische Highlight unserer Reise. Wir statten der Altstadt von Verona einen Besuch ab. Unser Auto haben wir an der Piazza Arsenale geparkt. Von dort ist es nur ein Katzensprung zur Ponte Scaligero, die über die Etsch (Adige) zum Castelvecchio führt. Die Etsch umschließt die Altstadt von Verona wie ein natürlicher Wassergraben. Brücke und Castel wuren 1354 als Verteidigungsanlage gebaut. Im Castel befindet sich das Museo Civico mit Werken berühmter Künstler wie z. B. Pisanello, Jacopo Bellini, Rubens, Tintorell. Von hier aus führt unser Weg durch die Via Roma zur Piazza Bra. Sie wird ganz und gar von der Arena di Verona beherrscht. Hier finden im Sommer die Opernaufführungen statt. Dann gibt es für Rollifahrer besondere Stellplätze. Zahlreiche Cafés laden zum Verweilen ein. Wir gingen weiter durch die Via Manzini mit vielen kleinen Läden zur Piazza Erbe. Rechts davon befindet sich in der Via Cappello der wohl berühmteste Balkon der Welt, Julias Balkon. Es gibt unendlich viele Balkons in Verona, auch schönere, aber keiner wurde so bekannt. Auf der Piazza Erbe ist täglich Markt. Neben Obst und Gemüse kann man Souvenirs für die Lieben zuhause erwerben. Auf diesem Platz wurde früher Recht gesprochen. Zahlreiche Monumente und Palazzi kann man an und auf diesem Platz bewundern. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist der Torre dei Lamberti (83m hoch). Hinter der Piazza Erbe liegt die Piazza dei Signori. Hier lebten in früheren Zeiten die hohen Beamten der Stadt.
Unser nächstes Ziel war die Piazza San Anastasia mit der gleichnamigen Kirche und dem
Dom von Verona. Wir begnügten uns jedoch damit, die monumentalen Bauwerke nur von
außen in Augenschein zu nehmen, da wieder einmal Regen am Himmel hing und wir noch
einen weiten Weg bis zu unserem Parkplatz vor uns hatten. Nahe beim Dom führt die Ponte Pietra über die Etsch. Von hier gelangt man zum Teatro Romano, das den Veronesern zu klein und durch die Arena ersetzt wurde. Durch viele kleine Gassen fanden wir zu unserem Parkplatz zurück. Eine ist malerischer als die andere. Das konnte man selbst an diesem grauen Sonntag erkennen. Die Altstadt von Verona ist gut mit dem Rollstuhl zu befahren. Die Wege sind glatt, die Topografie eben.
Montag 27. April 2009
Roberto Bassi fährt mit uns zur Universitätsklinik von Verona. Dort stellt uns Frau Dr. Laura Bertolasi die Studie zu Immunglobulin vor. Sie wird voraussichtlich im Oktober ab-geschlossen. Danach zeigte uns Roberto noch einmal seine Heimatstadt vom Auto aus. Wir fahren auf eine Anhöhe und können vom Castel San Pietro aus einen wunderschönen Blick auf Verona genießen.
Dienstag 28. April 2009
Unser geplanter Aufenthalt in Venedig fällt zu meinem allergrößten Bedauern buchstäblich ins Wasser. Da es seit Tagen immer wieder wie aus Eimern schüttet ist Aqua Alta (Hochwasser) gemeldet. Der Markusplatz steht 1,30 m unter Wasser. Mein Rollstuhl hat keine Gummistiefel! Wir disponieren um und fahren direkt nach Bergamo. Hier werden wir von Vanda Maestroni und ihrem Mann Carlo, ebenfalls beide Mitglieder von AIDM, freundlich in Empfang genommen. Sie versuchen das Beste, um uns auch bei Regen von der Schönheit ihrer Stadt zu überzeugen. Es ist ihnen gelungen. Bergamo besteht aus der Città Alta und Città Bassa. Città Alta ist auf einem Hügel gelegen und wird von einem Dichter als Diamant beschrieben. Enge steile Gassen, teilweise holpriges Pflaster sind nicht wirklich rollitauglich. In manchen Straßen wurden breite Platten verlegt, die das Rollifahren erleichtern. In der Unterstadt laden schöne Geschäfte zum Geldausgeben ein. Bergamo ist auch mit dem Flugzeug sehr gut zu erreichen. Der Flughafen liegt unmittelbar am Stadtrand. Ein Shuttle-Bus fährt direkt in die Stadtmitte. Von dort aus kann man mit einer Seilbahn in die höher gelegenen Teile fahren.
Mittwoch 29. April 2009
Das Wetter ist freundlicher geworden. Wir fahren nach Therme San Pellegrino, bekannt durch das Mineralwasser, das weltweit getrunken wird. Wir haben Gelegenheit, eine private Rehaklinik zu besichtigen (auch hierüber an anderer Stelle mehr) und machen einen Spaziergang durch San Pellegrino. Viele Prachtbauten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert werden zur Zeit renoviert, so auch das Casino. Ein dort tätiger Handwerker erlaubte uns, einen Blick in das Innere zu werfen. Ein riesiger Treppenaufgang, wertwolle Steinmetzarbeiten, Deckengemälde, schmiedeeiserne Geländer und Lampen begeisterten uns. In vier Jahren soll die Renovierung abgeschlossen sein. Dann sollen wir wieder kommen.
Am späten Nachmittag fuhren wir noch einmal durch Bergamo und kamen zu dem Gebäude, aus dem die Familie Thurn und Taxis stammt. Sie nahmen bereits im Mittelalter
Postverbindungen zwischen den einzelnen Königshöfen auf und schufen später ein länder- übergreifendes Postwesen.
Donnerstag 30. April 2009
Wir packen ein letztes Mal unsere Koffer und machen uns auf die Heimreise. Anstrengende, informative und schöne Tage liegen hinter uns. Wenn uns Petrus auch manchen Strich durch die Rechnung machte, so haben wir doch schöne Erinnerungen an unseren Aufenthalt in Italien. Wie auch in Deutschland ist nicht alles was als barrierefrei angekündigt wird auch tatsächlich so. Keines unserer gebuchten Hotelzimmer hat diese Bezeichnung verdient. Für Menschen, die nur im Rollstuhl sitzen, kann das zu bösen Überraschungen führen. Auch das Toilettenproblem ist noch lange nicht zur Zufriedenheit gelöst.
Ein besonderer Dank gilt unseren italienischen Polio-Freunden, die dafür gesorgt haben,
dass wir immer kundig geführt wurden und stets Erläuterungen in Deutsch bekommen
haben.

Bundesverband Poliomyelitis e.V.

  • Interessengemeinschaft von Personen mit Kinderlähmung
  • Freiberger Straße 33  |  09488 Thermalbad Wiesenbad